Ein kleiner Rollbraten..

... das ist unsere Luzie.
 
Wäre sie ein menschliches Weib, so würde sie vermutlich ihre stramme Figur mit einem hoch gegürteten Dirndl umhüllen, und mit energischen Schrittchen ihre Mass Bier verteilen..
 
 
Luzie sah ich zufällig als kleines, halb verhungertes Würmchen mitten auf der Strasse im Dorf sitzen - völlig taub, da von Ohrmilben befallen. Ein klassisches Fuss-auf-Bremse, ein bewährter Griff mit Verbringung in die Jacke, und schon war sie Mitglied der Familie. Damals noch misstraurisch beäugt von Gusti, der Sachlage und Position mit einer sanften Maulschelle klärte, und wohlwollend bemerkt von Miezi, die fürsorglich mit  mir die Mutterstelle teilte. 
 
Durch diese ganz andere Art, mit der Welt klar kommen zu müssen, Gefahren zu erkennen (oder auch nicht..), ist Luzie eine immer leicht ängstliche und schreckhafte Katze. 
 
Zur wahren Jeanne D'Arc wird sie jedoch, wenn Eindringlinge IHR Reich bedrohen. Mutig faucht und spukt sie dann, und reitet wilde Attacken. Von Vorteil und ein grosser Motivator dabei ist sicherlich, wenn die Türe sicher zu und eine feste Scheibe zwischen ihr und der anderen Katze ist.
Im Alternativfall neigt sie eher dazu, sich hinter der Türe zu verstecken und dem ahnungslos vorbeischlendernden Opfer ins Genick zu springen und ein paar ordentliche Watsch'n zu versetzen. Ist dieses in die Flucht geschlagen, wird noch kurz der Teppich gefetzt (als Primatin würde sie sich auf die Brust trommeln und Schmähgesänge anstimmen).  
 
 
Luzie ist aber die definitiv intelligenteste Katze... oder besser, die lernfähigste Katze: sie apportiert ihr Spielzeug und bringt es wieder zurück, kann wunderbare Pirouetten und einen doppelten Rittberger hinlegen.. nur mit dem Schwanz fangen, damit hat sie es nicht, da der zu kurz und der Rest von ihr zu breit geraten ist..
 
 
Sie liebt auf ihre eigene Art ihre Menschen. Mit dem gB gab es in der Gewöhnungszeit anfänglich ein Missverständnis.. ich hatte ihm gesagt, dass sie gerne spielt, und Fangeles dazu gehört. Nur betraf letzteres Bibi, und nicht Luzie, der er also motiviert verfolgte, als sie ihre Flucht antrat, dies endete erst, als sie mit einem deutlichen KLONK im Heizkörper landete. 
Daraufhin mied sie ihn einige Jahre und er hatte seinen Ruf als "Schläscher"  und böser Mann nicht nur bei ihr weg. Aber beide gaben sich Mühe, und die letzten beiden Jahre gab es deutliche Annäherungen, und sie sprach auch mit ihm oder legte sich auf seine Füsse oder sogar - und das war bei Luzie ein grosser Liebesbeweis - an seine Seite.
 
Auch legt sie sich dekorativ auf den Boden, zeigt Bauch und saugt den Blick auf sich, bis man gar nicht anders kann, als sich bei ihr niederzulassen und Streicheleinheiten zu geben (am allerliebsten mit einer ziemlich stacheligen Bürste). Alternativ mauzt sie so lange (sicht-, aber nicht hörbar..), bis man auf sie zuläuft, dann schleppt sie einen ins Wohnzimmer, dorthin, wo die Bürste liegt, und da dann umfallt. Also eine wirklich begabte Motivatorin! :-)

An einem Dienstag im März fand ich die sonst so verfressene Kleine im Laufe des Tages etwas appetitlos. Da sie das ab und an mal hatte (weil sie einfach alles, egal in welchem Zustand, wie plattgefahren oder aus irgendeinem letzten Jahrzehnt gefuttert hat), war ich zwar natürlich leicht unruhig, aber lange geübt wenigstens nicht in Panik. Am 2. Tag war nicht besser, allerdings fing leicht die Nase an zu laufen. Aber kein Fieber, und sie schnurrte mich fleissig an. Ich entdeckte dann auch eine Bisswunde und dachte, dass sie deswegen bedröppelt ist, nach manch erlebter Schlägerei kannte ich, dass die Tiere manchmal noch Tage danach richtig fertig waren oder gar Fieber aufgrund des Stresses bekamen. War aber unsicher, hatte aber nicht den Mumm, abends um halb 10 den TA noch rauszuklingeln. Am nächsten Tag hatte dieser Praxis zu (OP-Tag), anstatt dort Sturm zu klingeln ging ich zum nächsten verfügbaren Termin in die Uni-Klinik. Eine nette, sehr junge Ärztin, die auch meinte, das das Unwohlsein von einer Schlägerei kommen könnte, und da Luzie etwas die Nase lief, sich vielleicht (trotz Impfung) mit einer Erkältung angesteckt hätte. "Man könne aber auch mal röntgen".. Ich fragte dann etwas zweifelnd ob das notwendig wäre - denn diesen Stress ohne nahrhaften Hintergrund wollte ich Luzie nicht antun. Ach, dann solle ich es beobachten.. So bekam ich ein paar Medis und ging wieder.. 

Im Laufe des Abends wurde mir dann immer unwohler, ich blieb die Nacht und den Morgen bei ihr, rief aber bei unserem Haustierarzt an und bat um schnellen Termin, den ich auch für 11.15 Uhr bekam. Und ich wartete und wartete.. sie schnaufte schwerer, was wirklich auf einen Infekt hinzuweisen schien. Und sie schnurrte mich in der Nacht immer noch an.. Der Transport zum TA hatte sie dann extrem aufgeregt, sie erbrach sich (Wasser), als wir sie aus ihrem Korb holten. TA horchte ab und befahl sogleich ein Röntgenbild, und kaum sah er es wurde ich unerbittlich aus dem Raum gefegt (und wieder liess ich meine Katze alleine dort, denn er sagte "Ihre Katze kämpft um ihr Leben, und Sie lenken sie davon ab"..), und um 14.17 Uhr kam der Anruf, dass sie nach kurzer Besserung durch die Behandlung ganz überraschend einen Herzinfarkt erlitten hätte. :'( Es sei so schnell gegangen, dass er nicht dazu gekommen sei, irgend etwas hilfreiches tun können, weder zur Besserung, noch zur Verkürzung und Ersparen von Todesqualen. Und es sei so schnell gegangen, dass sie dies nicht mehr bewusst wahrgenommen hätte. 

Seiner Einschätzung nach musste bereits die Nacht oder Tage zuvor eine kleine Keilerei, oder organisch bedingt, das diese Entwicklung in Gang setzte. Er meinte, ich hätte ihren Tod  in der Konsequenz nicht verhindern können, vermutlich nicht einmal die Tierärztin, sondern dass wir ihr allenfalls hätten helfen können, ihn vorzuziehen… 

 

Vermutlich werde ich mich trotzdem immer fragen, ob ich ihren Tod zu diesem Zeitpunkt hätte verhindern können, oder die Tierärztin, oder ob ihre Zeit einfach gekommen war. Wer weiss, was ihr sonst erspart worden wäre, und dies der gnädigere Weg war..? Ich weiss es nicht. 

Ich vermisse sie sehr.

 

Hinweis:

Inspiration ist alles. Daher sind manche Protagonisten auch nicht erfunden.  Deren Namen, soweit mir bekannt, sind aber selbstverständlich "modifiziert", denn viele möchten ihr Leben nicht öffentlich ausgebreitet wissen und würden mir den Kragen abdrehen.. wofür ich vollstes Verständnis habe. 

Der eine oder andere geneigte Betrachter meint nun vielleicht, ich schreibe nur über mir nahe, reale Personen. Nun, ich wäre wohl nicht gescheit, würde ich dem zustimmen. Steht nicht unter allem und jedem (und sicherlich bestens juristisch beraten) "..Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen oder Gegebenheiten sind rein zufällig.." ?

(.. bei Milliarden Menschen ...)

So weit, so gut.. dazu ein gerüttelt Mass an blühender Phantasie, eine natürlich gewachsene grosse Klappe und die Neigung, diese viel zu selten fest geschlossen zu halten. Weiterhin eine freche Dosis schriftstellerischer Freiheit - so kann, wenn die Gedanken in die Tastatur gehauen wurden, Ähnlichkeiten mit, äh, lebenden und anderen Personen natürlich wirklich nur rein zufällig sein.

 

Ehrlich.