Bauer verkauft Pferd..

"Sandy" war meine zweite grosse Liebe - mit Erfüllung über Umwege.

 

Mein damaliger Gefährte "Pilzchen" sah als echter Sportler auch im Bereich der Vierbeiner durchaus Vakanzen für einen konstruktiven und körperbetonten Zeitvertreib. So gingen wir frohgemut und komplett Ahnungslos auf Suche nach einem nicht übersensiblen Pferd, und kamen über eine Anzeige auch auf einen Hof, auf dem sich eine kleine braune Stute, ungefähr 10 Jahre alt, zwischen Rindviechern, Schweinen und Federvieh tummelte. Dem Sohn des Hofbesitzers (schon ein gestandener Mann) war sie zu mickrig (die anderen Kumpels hatten alle 'nen Grösseren..), und so wurde man sich schnell handelseinig*. 

Bei der Abholung erwartete uns jedoch ein leicht betretenes Gesicht, da der Ex-Besitzer meinte, er hätte da noch einen kleinen Abschiedsritt gemacht**. Fazit: akuter Sehnenschaden. Den wollte er erst noch was auskurieren lassen, jedoch holten wir letztendlich einen Monat später ein beschädigtes Pferd ab. Warum wir nicht zurück getreten sind? Ich hatte mich auf den ersten Blick in sie verliebt. Sogar ihren Namen behielt sie, da wir uns, bis ein zu ihr passender eingefallen wäre, schon an diesen gewöhnt hatten. 

 

 "Sandy" war ein extrem nervenstarkes Pferd, wunderschön anzuschauen, rotbraun mit langen schwarzen Haaren, vier angeschwärzten Beinen und mit einem für eine Stute vorbildlichen Hals, schönen Formen, schlanken Fesseln, angenehmen Gängen.
So turnte "Pilzchen" als kompletter Neueinsteiger ohne Sinn und Plan oder Kenntnisse in Sachen Pferdewesen auf Sandy herum***. 

Bei einem Ausritt rupfte sie - damals achtete ich noch nicht auf gewisse Regeln, die ich den noch Ahnungsloseren einbleuen konnte - blind etwas vom einem Baum oder Gebüsch weg. Nur wenige Meter weiter entstanden plötzlich Pusteln auf ihrem Körper, die rasant um sich griffen (Nesselfieber als allergische Reaktion). Wir konnten sie gerade noch so nach Hause bringen, bevor der Kreislauf übelst ins Wanken kam. Natürlich war Sonntag, und es musste ein unbekannter Not-Tierarzt angerufen werden. Dieser verabreichte Kochsalzlösung und entschwand dann ohne weitere Erklärungen quitschenden Reifens weiter zu seinen nächsten bedauernswerten Patienten. Gar nicht lange Zeit später fing Sandy vorne links zu lahmen an. Sechs (6) Tierärzte und einen Uni-klinikbesuch (zwei (2) Tierärzte, Chef- und Oberarzt)  später fuhren wir mit dem immer noch lahmenden Pferd in eine andere Klinik, wo sich der Herr Professor selbst unserer annahm. Sie war noch nicht aus dem Hänger, als er schon treffsicher eine Hufrehe bescheinigte (...!). Nach zwei Wochen Aufenthalt mit diversen Medikamenten und Eigenblutbehandlung konnten wir sie lahmfrei und "gesundet" wieder in den heimischen Stall holen. 

 

Da Pilzchen zu diesem Zeitpunkt schon mit einer anderen schönen Pferdegestalt (namens "C'est la vie", ihres Zeichens nicht die wilde Mischung, entstanden aus freier Liebe, sondern ein reinrassiges englisches Vollblut) liebäugelte, welche Monate später auch die seinige war (da war für Pilzchen nicht nur ich, sondern auch Sandy bereits freundschaftliche, aber nicht mehr Beziehungstechnische     Vergangenheit) fand ich am Tage meiner Verehelichung tatsächlich ein kleines, braunes Pferd als Gabe meines Trauzeugen vor der Gaststätte der kulinarischen Lustbarkeiten dieses Events... War ich glücklich!! Hatte ich auch die traditionell üblichen Vorgänge (Kirchgang, heulende Anverwandte, Laufmasche im Strumpf usw..) Tränenfrei überstanden, weinte ich vor Glück, dass dieses tolle Tier nun das meinige war, 

 

Ein halbes Jahr später, zu Beginn der Weidesaison, liess der Bauer ..äh, Landwirt (ehemals Schweinezüchter, bevor er die Lukrativität einer angebotenen Pferdehaltung erkannte) sie mehrere Stunden mit Herde auf die Koppel. Damals stand sie im Offenstall, da fand ich diese Haltung noch bedingungslos und kritikfrei toll. Noch mehrere Stunden später lahmte sie. Die erste Behandlung erfolgte vor Ort, natürlich unter Verbot von weiterem Koppelgang / Bewegung / Gras.. Doch da der Hofbesitzer zu faul war, sie die nächsten Tage aus der Herde beim Austrieb auf die Koppel auszusortieren, humpelte sie der Herde hinterher zum Frühlingsgras.. 

Wir brachten sie wieder in die Klinik, welche beim ersten Mal so hilfreich war. Spezieller Beschlag, Gips kurz, Gipse lang usw. halfen ihr nicht, denn natürlich griff die Rehe um sich, und wurde von einer anfänglichen Vergiftungsrehe eine "Eiweissrehe" eine Belastungsrehe ...

Fünf Wochen später stand ich bitterlich weinend vor ihr, denn sie gab mir zu verstehen - oder ich verstand sie endlich -, dass sie nie mehr gesund und pferdegerecht leben können würde und sich nur noch mit Schmerzen quälte. So traf ich das erste Mal in meinem Leben die Entscheidung, ein Tier erlösen zu lassen. Keiner der Tierärzte dort hatte mich auf diese Möglichkeit vorbereitet, keiner konfrontierte mich mit dieser Lösung um des Tieres willen.

 

"Sandy" starb friedlich an einem Nachmittag im Frühsommer 1992, ich glaube sogar in einem zufriedenen Befinden, denn mit einem Apfel im Maul, umgeben von den Menschen, die sie die letzten Wochen begleitet hatten, und mir. Sie wurde nur 12 Jahre alt.

 

 

 

Leider kann ich (noch) kein Bild von Sandy einstellen, da der Nachfolger von "Pilzchen" aus bei "Titan" erläuterten Gründen praktisch alle mir wichtigen bildhaften Dokumente aus meiner Vergangenheit mit den Vierbeinern (wie auch andere) der Vernichtung zugeführt hat.

 

 

 

 

* Bauern, nein, korrekt hochachtungsvoll "Landwirte", sind schlau. Gerissen. Städter, die sich in ein Tier oder Sonstiges im Besitz des erwähnten Landwirts vergucken, oder ein bereits erworbenes dort vertrauensvoll der Aufbewahrung übergeben, sind zum Ausnehmen bereite ahnungslose Gutgläubige.

 

** wer meint, ein Bauer mit Tieren sei automatisch der Haltung auch landwirtschaftlich genutzter Tiere wirklich kundig, und zudem auch noch Natur- und Tierverbunden, täuscht sich. Gewaltig!

 

*** Turnen wie Kopfstand, Handstand, Radüberschlag - manchmal auch mit Rückflugachse, weil das Tier ahnungslos gemütlich auf dem Reitplatz herumstand und sich die Gegend beschaute, als plötzlich jemand von hinten über sie drüber hechten wollte..

 

Hinweis:

Inspiration ist alles. Daher sind manche Protagonisten auch nicht erfunden.  Deren Namen, soweit mir bekannt, sind aber selbstverständlich "modifiziert", denn viele möchten ihr Leben nicht öffentlich ausgebreitet wissen und würden mir den Kragen abdrehen.. wofür ich vollstes Verständnis habe. 

Der eine oder andere geneigte Betrachter meint nun vielleicht, ich schreibe nur über mir nahe, reale Personen. Nun, ich wäre wohl nicht gescheit, würde ich dem zustimmen. Steht nicht unter allem und jedem (und sicherlich bestens juristisch beraten) "..Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen oder Gegebenheiten sind rein zufällig.." ?

(.. bei Milliarden Menschen ...)

So weit, so gut.. dazu ein gerüttelt Mass an blühender Phantasie, eine natürlich gewachsene grosse Klappe und die Neigung, diese viel zu selten fest geschlossen zu halten. Weiterhin eine freche Dosis schriftstellerischer Freiheit - so kann, wenn die Gedanken in die Tastatur gehauen wurden, Ähnlichkeiten mit, äh, lebenden und anderen Personen natürlich wirklich nur rein zufällig sein.

 

Ehrlich.