Die Götter haben einen guten Wurf gemacht..

Titan... umgetauft in "Chinook" - nicht wie der Lieblingshubschrauber der Amerikaner, nein, es gab in Nordamerika das Volk der Chinook. Und auch einen warmen Fallwind, gleichbenannt. Ein starker Chinookwind vom Ozean kann innerhalb von 24 Stunden eine richtig fette Schneedecke vollständig auflösen, noch doller, als das der Föhn in den Alpen oder nur die Sonne kann.

Und so ist Chinook auch: vor seinem sonnigen, ganz und gar einnehmenden Wesen habe ich knorzige Männer weich werden sehen, dahingeschmolzen von 760 Kg geballten Charmes. Kinder sind völlig verrückt nach ihm, je jünger, desto faszinierter. Keine Angst vor den stattlichen 1,74 Widerristhöhe, aber zu Recht: kein Pferd habe ich je so behutsam mit den kleinen Fans umgehen sehen wie Ch'nooki. Unerfahrene oder ängstliche Reiter sind sicher auf dem breiten Kreuz eingebettet, denn er betet sich irgendwie immer unter die rutschenden Hinterteile. Wehe aber, wenn ein Reiter meint, er sei wer, und könne ihn womöglich mit Druck oder gar Gewalt in eine Form pressen.. er bemüht sich noch kurz, sollte der Reiter trotzdem zu unverständig ist, so bleibt er einfach stehen, und wenn er dann Schläge und Gehampele erhält, wird dezent der Hintern gehoben. 

 

Chinook hat seine eigene Odysee hinter sich, wie sie aber in ähnlicher Form viele Pferde erleben. Gerade mal Dreijährig kam er in Beritt einer ländlichen Springreiterin - ambitioniert, aber doch mit eingeschränktem Einfühlungsvermögen. Er verstand einfach nicht, wenn er dem Druck zum Vorwärtsgehen durch Gerte und Sporen doch nachgibt, warum dann eine grobe Hand ihn wieder nach hinten und wie eine Grillwurst nach innen aufrollt. Innerhalb von zwei Monaten war dieses freundliche Tier mit Sattelzwang "gesegnet" und lief nicht einmal mehr richtig vorwärts, wenn man ihn eine Runde lang mit der Reitpeitsche schlug... :-(

What a shit!!

 

Sein Besitzer, unerfahren und ein weiteres Männlein, welches das Tal der Ahnungslosen durchwanderte, erbarmte sich seiner endlich, als sein Pferd mit blutenden Sporenwunden am Bauch aus so einer "Leerstunde" herauskam. Erst erhielt Chinook zwei Monate lang Reitferien, dann kam er mit Karim und zu unser aller Glück zu einer einfühlsamen, unvoreingenommenen Westernreiterin / Bereiterin. Sie war die erste, die ihm wieder das Vertrauen gab, Vorwärtslaufen sei gut, macht Spaß und der Reiter kann auch eine angenehme Last sein. 

 

Chinook braucht keine Leckerlies, keine Bestechung, um den Menschen zu mögen. Kein Pferd hat je so auf Stimme - im Gutem wie im Bösen - reagiert. Ein Mal in seinem Leben hatte er eine Kolik. Durch das Gegurre dreier besorgter Damen, die ihn streichelten und anflöteten, hatte er sich bis zur Ankunft des Tierarztes wieder so weit entspannt, dass dessen Eingreifen de facto unnötig geworden war. 

 

Chinook ist mittlerweile ein "Scheidungskind". Nicht die Sorge um die Kasse, sondern das Monetäre als Druckmittel, um Bedingungen durchzusetzen und einfach nur Ungemach zu bereiten, liessen ihn zum Spielball seines berechnenden "Fürsorgers" werden. Nicht dass ihm dieser - vermutlich - wirklich schaden wollte, aber sein Wohlergehen wurde in böser Weise dem kleinlichen Ego geopfert. Nach 16 gemeinsamen Jahren, in denen er und Karim nie getrennt waren, wurde er eines Morgens kurzerhand aus seinem vertrauten Umfeld gerissen. Vorübergehend war er in einem Stall, wo Angestellte (nicht sein Besitzer) sich um seine Versorgung kümmerten. Es wurde auch jemand bezahlt, ihn zu reiten, wobei durch Unkenntnis seitens seines "Herrchens" keine Informationen zur richtigen Reitweise und Behandlung weitergegeben wurden. Da bereits machte er wieder Erfahrung mit der Gewalt, dem Einsatz von Sporen und Gerte im Unverstand. Wohl etwa zwei Monate später wurde er an einen (mir vorerst) unbekannten Ort gebracht. Erst später erfuhr ich nur zufällig, dass er Pikanterweise an den Züchter meines Arabers verbracht wurde. Diese Menschen, von denen ich 16 Jahre meinte, sie seien mir freundschaftlich verbunden, wussten nichts über ihn, aber sie riefen mich nicht an, sie fragten nicht, sie informierten nicht. Und weil's Züchter sind, braucht man auch keine ein- oder weiterführenden Kenntnisse, denn man weiss ja schon alles - man binde das Pferd mit Stosszügeln ordentlich aus, und wenn es nicht vorwärts will, so gebrauche einfach Gewalt... Kein Herumtollen, kein Fussballspielen, überhaupt kein Spielen mehr, kein Schmusen, keine guten Worte.. Nein, niemand wusste um seine Vorlieben, was er konnte, wo er Schwierigkeiten hatte, was er zum Leben brauchte.
Bittere Worte, ich weiss, wohl geboren aus dem Nichtverstehen der Menschen Gedankengänge. 

 

 

Ich besuchte ihn das erste Mal ein dreiviertel Jahr später, und was soll ich sagen... er erkannte mich noch ;-(

 

 

"Chinook", mein "Männeken", ist fern von mir kurz nach seinem 21 Geburtstag im September 2011 an einer Darmverschlingung gestorben. 

Auch wenn er schon lange kurze drei Jahre von mir getrennt war, so war und ist er mir im Herzen wie immer so nahe, dass mir zu seinem viel zu frühen Tod nur eines einfällt: untröstbar.

 

 

Aber wenn es je einen Pferdehimmel gibt, so wird er auf Karim warten.. und wenn Menschen dort eintreten dürfen, so hoffentlich auch auf mich.

 

Hinweis:

Inspiration ist alles. Daher sind manche Protagonisten auch nicht erfunden.  Deren Namen, soweit mir bekannt, sind aber selbstverständlich "modifiziert", denn viele möchten ihr Leben nicht öffentlich ausgebreitet wissen und würden mir den Kragen abdrehen.. wofür ich vollstes Verständnis habe. 

Der eine oder andere geneigte Betrachter meint nun vielleicht, ich schreibe nur über mir nahe, reale Personen. Nun, ich wäre wohl nicht gescheit, würde ich dem zustimmen. Steht nicht unter allem und jedem (und sicherlich bestens juristisch beraten) "..Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen oder Gegebenheiten sind rein zufällig.." ?

(.. bei Milliarden Menschen ...)

So weit, so gut.. dazu ein gerüttelt Mass an blühender Phantasie, eine natürlich gewachsene grosse Klappe und die Neigung, diese viel zu selten fest geschlossen zu halten. Weiterhin eine freche Dosis schriftstellerischer Freiheit - so kann, wenn die Gedanken in die Tastatur gehauen wurden, Ähnlichkeiten mit, äh, lebenden und anderen Personen natürlich wirklich nur rein zufällig sein.

 

Ehrlich.